Der Malaria- und Artemisiaforscher Dr. Jerôme Munyangi ist 35 Jahre jung und kommt aus der DR Kongo. Aufgrund seiner Forschung, die die Rolle der Artemisia in der Behandlung von Malaria in der Provinz Maniema (DR Kongo) untersucht, wurde er im Jahre 2016 Opfer von Aggressionen und Vergiftungen, die ihn beinahe das Leben gekostet hätten. Seit August 2019 lebt er als Geflüchteter in Paris.
Dr. Munyangi, wir sind in Leipzig und haben gerade den Film „Das Fieber“ von Katharina Weingartner gesehen. Was sind Ihre ersten Eindrücke?
In meinen Augen ist der Film ein pädagogisches Werkzeug für uns und für alle. Er beginnt mit dem Artemisia Annua Kraut, einer Heilpflanze, die in Afrika beheimatet ist, angepasst an die örtlichen Gegebenheiten, und die Malaria bekämpft.
Sie erforschen seit Jahren die Verwendung dieser Pflanze gegen Malaria. Können Sie uns mehr darüber verraten?
Meinen ersten Kontakt mit der Pflanze habe ich einem Freund zu verdanken. Ich besuchte mehrmals Kinshasa und hatte immer wieder Malaria. Ich stellte fest, obwohl ich die normale Dosis von Medikamenten einnahm, dass sich mein Zustand nicht wirklich verbesserte. Ein Freund, der die Pflanze schon kannte, sagte mir, ich solle einen Tee daraus machen und ihn sieben Tage lang trinken. Daran glaubte ich nicht. Ich nahm es trotzdem, und am dritten Tag fühlte ich mich schon viel besser. Nach einer Woche wurde bei einer Blutuntersuchung festgestellt, dass ich kein Plasmodium mehr im Blut hatte. Das war das erste Mal, dass ich diese Pflanze verwendet hatte.
Beeindruckt von diesem Ergebnis flog ich 2007 mit einem Stipendium nach Paris, um mit Fokus auf diese Pflanze meinen Master in Biologie zu machen. Danach arbeitete ich weiter daran und beschloss, keinen der Inhaltsstoffe zu isolieren, sondern auf die Art anzuwenden, wie es in afrikanischen Gesellschaften traditionell gemacht wird, nämlich in Form von Tee.
Und im Labor?
Im Labor haben wir mit zwei Schwesterpflanzen gearbeitet: Artemisia Afra aus Afrika und Artemisia Annua aus China. Beide sehen sehr ähnlich aus, der einzige Unterschied ist, dass die afrikanische Version im Gegensatz zu ihrer chinesischen Schwester keinen Artemisinin Wirkstoff hat. Viele haben geglaubt, dass dieser Wirkstoff das sei, was Malaria heilen kann. Wir haben beschlossen, präklinische und klinische Tests mit beiden Pflanzen in Form von Tees in der Provinz Maniena in der DR Kongo durchzuführen.
Wie waren die Ergebnisse?
Die waren sehr eindeutig, aussagekräftig und positiv. Wir konnten zeigen, dass mit beiden Varianten ohne Nebenwirkungen Malaria geheilt werden konnte. Beide agieren sehr wirkungsvoll und schnell gegen Malaria im Blut und gehen noch weiter…
Weiter…?
Ja, wir wissen, dass die Plasmodien – einzellige Parasiten, die Malaria verursachen – aus den Speicheldrüsen der Mücken in die Blutbahn gelangen und im menschlichen Körper typische Reifungs- und Vermehrungszyklen durchlaufen. Über die Blutbahn erreichen sie zunächst die Leber und dringen dort in Leberzellen ein, wo sie sich vermehren. Genau dort agieren die beide Pflanzen effizient. Die Plasmodien werden aus dem Blut und aus der Leber sehr schnell eliminiert. Mit diesen klinischen Ergebnissen bin ich der festen Überzeugung, dass wir mit beiden Pflanzen Malaria aus Afrika eliminieren können. Artemisia ist meiner Meinung nach die Lösung zur Ausrottung von Malaria in Afrika.
Sie haben in Afrika, Europa und Nordamerika studiert und haben beschlossen, zurück nach Afrika in die DR Kongo zu kehren. Aber jetzt leben Sie als exilierter Arzt aufgrund ihrer Forschungen in Paris. Wie erklären Sie das?
Als ich in der Medizin anfing, dachte ich, dass die einzige Berufung von Ärzt*innen und Beschäftigten im Gesundheitsbereich darin besteht zu heilen. Aber ich musste schnell feststellen, dass viele in diesem Bereich andere Interessen haben als nur die Gesundheit.
Was meinen Sie konkret?
Wenn Sie Pharmaunternehmen und anderen nationalen und internationalen Gesundheitsinstitutionen Lösungen zur Ausrottung einer Krankheit anbieten, interessiert sich niemand dafür. Diese Institutionen und Unternehmen sind nur am Milliarden-Dollar-Gewinn interessiert. Aber auch Gewinne, die durch Medikamentenschmuggel in Afrika entstehen. Niemand aus diesen Gruppen will wirklich eine wirksame Bekämpfung dieser Krankheiten wie Malaria. Zumindest scheint es auf unserem Kontinent so.
Dagegen haben Sie gekämpft, und deswegen sind Sie geflüchtet?
Ja, nach meinem Studium bin ich zurück nach Hause (D.R. Kongo) und wollte lokale Gesundheitslösungen wie Artemisia gegen Malaria einsetzen. Ich wurde mit dem heftigen Widerstand der Pharmaindustrie konfrontiert. Es begann mit den Schmuggler*innen von gefälschten Medikamenten, die nicht nur in meiner Heimat, sondern auch in vielen anderen afrikanischen Ländern mächtig sind. Sie stammen oft aus China oder Indien und arbeiten mit afrikanischen Kompliz*innen. Das Schweigen der Weltgesundheitsorganisation WHO ist nicht verständlich. Sie ist das Organ, das normalerweise vieles im Gesundheitsbereich regulieren sollte.
Warum sind Sie im Gefängnis gelandet?
Weil die oben genannten Lobbies und Menschen Druck auf die kongolesische Regierung gemacht haben, mit dem Argument, ich hätte eine Kampagne gegen ein von der WHO empfohlenes Medikament initiiert. Ich wurde vergiftet und wäre beinahe gestorben, hätte ich die Unterstützung vieler Freund*innen nicht gehabt. Mordversuche hat es auch gegen mich und mein Team gegeben. Mit der Hilfe der UNHCR (Flüchtlingshilfwerk der Vereinten Nationen, Anm. d. Red.) bin ich zuerst in die Zentralafrikanische Republik und danach nach Paris geflüchtet.
Im Moment veröffentlichen viele afrikanische Gesundheitsministerien eines nach dem anderen Rundbriefe gegen die Artemisia. Wie erklären Sie das?
Zuerst müssen Sie verstehen, dass kaum ein Gesundheitsministerium in Afrika unabhängig ist. Es sind beinahe alle vollständig auf Fremdmittel angewiesen, und die WHO spielt dabei eine wichtige Rolle. Wenn sie sich daran erinnern, hat China vor Jahren Artemisinin als Wirkstoff gegen Malaria in Afrika vorgeschlagen; nach langem Zögern lehnte die Weltgesundheitsorganisation ab. Im Jahr 2015 dann erhielt Tu Youyou den Nobelpreis für Medizin, weil sie Artemisinin entdeckt hatte. Erst Jahre später ist Artemisinin gegen Malaria in Afrika von der WHO zugelassen worden. Wissen Sie, wie viele Afrikaner*innen in der Zwischenzeit gestorben sind?
Wodurch kommt diese Abhängigkeit?
Im afrikanischen Gesundheitsbereich stelle ich fest, dass ein neokoloniales System herrscht, und das auf Kosten von Millionen von afrikanischen Menschenleben, die wir, zum Beispiel im Falle von Malaria, vermieden hätten. Für die Gesundheit der eigenen Völker entscheiden die Regierungen nicht. Die wichtigsten Entscheidungen kommen aus dem Westen, von Geldgeber*innen, großen Stiftungen, die ihre Politik aufzwingen und durchsetzen. Gesundheitsminister*innen von afrikanischen Ländern sind Rädchen einer Gesundheitspolitik, die fremdbestimmt wird und gegen die Gesundheit der eigenen Bevölkerung aufgezwungen wird.
Welche Ratschläge oder Botschaften können Sie Afrikaner*innen geben, die an Malaria leiden, und die sich auf afrikanische Weise und zu niedrigeren Kosten behan-deln lassen möchten?
Seit mehr als sieben Jahren arbeite ich wissenschaftlich auf dem Gebiet der Malariaforschung mit Artemisia und bin auch als Aktivist unterwegs, um das Wissen zu verbreiten. Meine Botschaft lautet: Liebe Afrikaner*innen, kümmern wir uns um uns selbst! Im Falle von Malaria kann ich sagen, dass Pharmaunternehmen und die WHO nicht dazu da sind, um uns zu behandeln, sondern um uns krank zu machen. Wenn unsere Gesundheitsministerien und die WHO wirklich da wären, um Afrikaner*innen zu helfen, würden sie dazu beitragen, dass die Artemisia Pflanze, die nach standardisierten medizinischen Studien derzeit das beste Medikament gegen Malaria ist, überall verbreitet wird. Lassen Sie sich mit Artemisia gegen Malaria behandeln. Sie kostet wenig Geld, ist effizient und hat keine Nebenwirkungen. Lasst uns von unseren Heilpflanzen geheilt werden, wie unsere Vorfahr*innen. Warten wir nicht immer auf Lösungen, die aus dem Westen kommen, denn hinter ihnen stehen Interessen, die nicht unbedingt zu unseren Gunsten sind. Der Westen fokussiert sich auf seine Interessen, während wir unsere Zeit damit verbringen, unsere Toten zu zählen. Malaria kostet uns sehr viel Geld, Zeit und Menschenleben. Es liegt an uns Afrikaner*innen, ‚nein‘ zu einer Politik zu sagen, die uns tötet.
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Interview erschienen in der LONAM Ausgabe von Dezember 2019